05 Fischwissen: Der Wels

Der Wels – Der Gigant aus der Tiefe

Wenn du abends am Wasser sitzt und das Schilf leise raschelt, wenn plötzlich ein dumpfes Platschen durch die Dunkelheit hallt, dann weißt du: Er ist da. Der Wels. Kein anderer Fisch in unseren heimischen Gewässern sorgt für so viel Ehrfurcht, Faszination – und Adrenalin. Er ist ein Mythos, ein Rätsel, ein Koloss unter den Süßwasserfischen. Für viele Angler ist der Wels kein gewöhnlicher Zielfisch, sondern ein Lebensprojekt.

Was macht ihn so besonders? Ganz einfach: Seine Größe, seine Kraft und seine geheimnisvolle Lebensweise. Der Wels ist kein Fisch, den man nebenbei fängt. Wer es auf ihn abgesehen hat, der weiß, was ihn erwartet – lange Nächte, zähe Stunden, aber auch der eine Moment, in dem plötzlich alles passt und ein wahres Monster an der Rute hängt.


Arten und Verbreitung – Der europäische Riese

Wenn wir in Europa vom Wels sprechen, meinen wir in der Regel den Europäischen Wels oder Waller (Silurus glanis). Er ist der größte Süßwasserfisch des Kontinents – und einer der geheimnisvollsten.

Ursprünglich stammt er aus den Flüssen Osteuropas, wie der Donau und dem Dnepr. Heute findet man ihn in fast ganz Europa – von Spanien über Deutschland bis nach Russland. Durch gezielte Besatzmaßnahmen ist er auch in Frankreich, Italien und sogar in Teilen Großbritanniens etabliert.

Neben dem Europäischen Wels gibt es weltweit viele weitere Welsarten – über 3.000 sind bekannt. Besonders bekannt sind:

- Der Amerikanische Wels (Ictalurus punctatus) – kleiner, aber ebenfalls kampfstark.

- Der Rote Antennenwels (Phractocephalus hemioliopterus) – ein beliebter Zier- und Speisefisch in Südamerika.

- Der Mekong-Riesenwels (Pangasianodon gigas) – eine asiatische Legende, bis zu 3 Meter lang.

Doch hier bei uns dreht sich alles um den Silurus glanis – den König der Tiefe.


Größe und Gewicht – Zahlen, die Respekt einflößen

Der Wels ist ein Ausnahmefisch, was seine Maße betrifft. Er wächst langsam, aber stetig – und hat bei idealen Bedingungen fast kein natürliches Limit.

Typische Größen:

- Durchschnittliche Fänge: 120–160 cm, 15–40 kg

- Kapitalfänge: 200 cm und mehr, über 60 kg

- Rekordfänge: Über 270 cm, mehr als 130 kg (!)

Der aktuelle offizielle Rekord stammt aus Norditalien – ein Koloss von über 2,80 m und rund 150 kg. Solche Fische sind uralt, mitunter über 50 Jahre alt, und wirken fast wie prähistorische Wesen. Wenn man sie sieht – diese riesige, schleimige Masse, das breite Maul, die endlos wirkende Körperlänge – bleibt einem oft nur Staunen.


Lebensraum und Verhalten – Unsichtbarer Herrscher

Der Wels ist ein bodenorientierter Fisch, der tiefe, strukturreiche Gewässer liebt. Besonders wohl fühlt er sich in:

- Großen Flüssen wie dem Rhein, der Elbe, der Donau oder dem Po

- Stauseen mit tiefer Wasserzone und viel Deckung

- Naturseen mit Altarmen, versunkenen Bäumen und Schilfkanten

Tagsüber liegt der Wels meist regungslos am Grund – in tieferen Löchern, unter Steinpackungen oder in versunkenen Bäumen. Erst in der Dämmerung und Nacht wird er aktiv und geht auf Jagd.

Dabei ist der Wels kein schneller Räuber wie Hecht oder Zander. Er verlässt sich auf seine Barthaare (Barteln) und seine hochempfindliche Seitenlinie, um Beute zu orten. Sein Geruchs- und Tastsinn ist so ausgeprägt, dass er selbst im stockdunklen Wasser punktgenau zuschlagen kann.


Nahrung – Alles, was sich bewegt

Welse sind gefräßig – und nicht wählerisch. Ihr Maul ist riesig, ihr Magen dehnbar, ihr Appetit endlos.

Auf dem Speiseplan stehen:

- Fische aller Art, auch artgleiche Welse

- Frösche, Enten, Mäuse, Ratten, Tauben

- Muscheln, Krebse, Würmer

- Und manchmal auch Aas

Gerade in urbanen Gewässern werden immer wieder kuriose Funde gemacht – Welse, die Möwen gefressen haben, oder sogar kleine Hunde, die zu nah ans Ufer kamen. Viele Geschichten sind übertrieben – doch eines ist sicher: Der Wels ist ein Räuber mit großem Appetit und kaum Scheu.


Angeln auf Wels – Geduld, Taktik, Ausdauer

Welsangeln ist anders. Du brauchst Geduld, Kraft, Strategie – und oft eine gehörige Portion Willenskraft. Es ist nichts für Ungeduldige.

Zeitpunkt und Bedingungen

Die besten Fangzeiten sind:

- Frühling, sobald das Wasser über 12 °C steigt

- Sommernächte, besonders nach Gewittern

- Spätherbst, wenn die Fische sich Reserven anfressen

Welse beißen bevorzugt in der Dämmerung und bei Nacht – aber auch tagsüber kann man sie überlisten, besonders bei trübem Wasser oder in Flusssystemen mit starker Strömung.

Methoden

Die häufigsten Methoden sind:

- Ansitzangeln mit totem Köderfisch, Tauwurmbündeln oder Calamari

- Abspannen an Bäumen oder Bojen (in Flüssen)

- Vertikalangeln vom Boot mit Köderfisch oder Gummi

- Spinnfischen mit schweren Gummiködern, Wobblern oder Fireballs

Eine meiner liebsten Methoden ist das aktive Spinnfischen auf Wels. Du brauchst starkes Gerät, eine 100–150 g Rute, stabile Multirolle, 0,30–0,40 mm geflochtene Schnur – und Nerven wie Drahtseile. Der Biss kommt hart, der Drill ist brutal. Wenn der Fisch erstmal quer in der Strömung liegt, geht’s richtig los.


Gerät und Montage – Hartes Zeug für harte Kämpfe

Welse sind kampfstark. Ihre schiere Masse macht sie zu echten Prüfsteinen für Mensch und Material. Wer hier spart, verliert – und riskiert Verletzungen am Fisch.

Das brauchst du:

- Ruten: 2,70–3,30 m, Wurfgewicht ab 150 g

- Rollen: Groß, robust, hohe Bremskraft

- Schnur: Geflochten, 0,35–0,45 mm, Tragkraft 40–60 kg

- Vorfach: Monofil oder Kevlar, 1 mm aufwärts

- Haken: stabil, Einzelhaken oder Drillinge der Größen 4/0–10/0

- Montagen: Unterwasserposen, U-Posen, Grundmontagen, Vertikalsysteme

Achte immer auf Qualität – bei einem 2-Meter-Wels mit 50 kg Körpergewicht darf nichts reißen. Ein verlorener Fisch ist nicht nur bitter – es kann auch tödlich für ihn enden.


Küche – Geschmackssache mit Potenzial

Welsfleisch ist:

- Weiß bis leicht rosa, je nach Alter und Wasserqualität

- Grätenarm, da der Wels keine Y-Gräten wie Hecht oder Zander hat

- Mild und saftig, mit leichtem Wildgeschmack

Klassische Gerichte sind:

- Welsfilet in Butter gebraten

- Welsragout mit Gemüse

- Räucherwels – besonders aus dem Rückenfilet

- In der Spitzengastronomie auch als Sous-vide-Variante mit Kräuteröl

Jüngere Welse schmecken zarter. Ältere, große Fische (>1,30 m) können etwas modrig schmecken – je nach Gewässer. In solchen Fällen empfiehlt sich Filetieren, Wässern und Würzen. Und: Der Fisch sollte kühl gelagert und zeitnah verarbeitet werden.


Fakten, Mythen und Kuriositäten

- Welse sind extrem langlebig – bis zu 80 Jahre alt!

- Sie können über 30 Minuten ohne Sauerstoff überleben.

- Ihre Haut ist schuppenlos, schleimig, aber nicht glitschig – der Schleim schützt vor Bakterien.

- In der Donau gibt es Populationen mit fast weißem Pigment – ein natürlicher Albinismus.

- In Frankreich (Tarn, Rhone) wurden Welse beobachtet, wie sie Tauben vom Ufer schnappen – gezieltes Jagen an der Oberfläche!

- Es gibt Berichte über Welse, die in Anglerboote gebissen haben – meistens eher neugierig als aggressiv.


Fazit – Der Wels ist mehr als nur ein Fisch

Für mich ist der Wels mehr als ein Fisch. Er ist die ultimative Herausforderung, die dunkle Gestalt aus der Tiefe, der Räuber, der alles sprengt, was man bisher kannte. Wer einmal einen Wels über 2 Meter gedrillt hat, wird es nie vergessen – dieses dumpfe Gewicht, das sich langsam erhebt, der Kampf gegen die Strömung, der Moment, wenn man das Maul sieht und denkt: Das ist unmöglich.

Aber es ist möglich. Und es lohnt sich. Nicht nur für den Fang, sondern für die ganze Erfahrung. Für die Stille vor dem Biss. Für die Anspannung in der Dunkelheit. Für das Gefühl, einem Mythos ganz nah gekommen zu sein.

Der Wels bleibt eine Legende – und ein Abenteuer, das man erleben muss.

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